Solidarischer Handel(n)

Foto: Kaffeekollektiv Aroma Zapatista

Das Kaffeekollektiv Aroma Zapatista handelt seit mehreren Jahren mit Kaffee der aufständischen Zapatist*innen aus Chiapas (Mexiko) und verkauft seit Dezember 2015 auch Kaffee der indigenen Bewegung aus dem Cauca (Kolumbien). Aroma Zapatista will mit dem solidarischen Kaffeehandel mehr erreichen, als nur faire Preise an die indigenen Kleinbäuer*innen zu zahlen.

Jochen Schüller sprach mit Kerstin Trubert, einem von sechs Mitgliedern des Kollektivs. 2017 und 2018 war Kerstin Trubert im Cauca.

Januar 2019

Warum hat Aroma Zapatista gerade zu den beiden indigenen Widerstandsbewegungen in Mexiko und Kolumbien solidarische Handelsbeziehungen aufgebaut? Warum die Zapatistas und warum der CRIC?

Die zapatistische Bewegung ist eine der wichtigsten Befreiungsbewegungen unserer Zeit. Sie zeichnet sich durch eine Organisierung und Mitbestimmung von der Basis aus, ist dynamisch und reflexiv – eines ihrer bekanntesten Mottos ist „fragend schreiten wir voran“. Seit 1994 bauen die Zapatist*innen eigene Strukturen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Ökonomie, Verwaltung, Rechtsprechung, etc. auf.

Die Zielsetzungen des CRIC sind, etwas verallgemeinernd gesagt, recht ähnlich, ebenso die Reflexionsprozesse. Leider finden die Kämpfe international sehr wenig Aufmerksamkeit. Wir versuchen über den solidarischen Kaffeehandel mehr Öffentlichkeit für die Belange der indigenen Bevölkerung im Cauca zu schaffen.

Was bedeutet solidarischer Handel?

Solidarischer Handel bedeutet für uns, soziale und emanzipatorische Bewegungen zu unterstützen, die um ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen. Es geht darum, Strukturen in den Produktionsländern und hier vor Ort zu verändern, kapitalistische und koloniale Handelsbeziehungen aufzubrechen und so gut es geht neu zu denken. Wir vermitteln Informationen über die Anliegen der Bewegungen und ihre Lebensrealitäten und die basisdemokratischen, kollektiven Strukturen, die in Chiapas und dem Cauca aufgebaut worden sind und weiterhin ausgebaut werden.

Im solidarischen Handel werden höhere Preise gezahlt als auf dem Weltmarkt üblich, sogar noch mehr als im fairen Handel. Neben den höheren Einkaufspreisen für den Rohkaffee, die direkt an die Kaffeekooperativen und ihre Mitglieder gehen, sind in unserem Verkaufspreis zusätzlich für den Röstkaffee pro Kilo 0,45 € enthalten, die wir als Unterstützung an die politischen Strukturen der Zapatist*innen und des CRIC geben. Sie entscheiden dann selbst, wie diese Gelder verwendet werden.

Es ist zentral für uns, langfristige Handelsbeziehungen aufzubauen. Dies bietet den Kooperativen eine hohe Planungssicherheit, was den Absatz und Preis des Kaffees, aber auch eigene Investitionen angeht. Aroma Zapatista zahlt den Kaffeekooperativen nach Abschluss des Kaufvertrags für die jeweilige Kaffeeernte eine zinsfreie Vorfinanzierung in Höhe von 60 Prozent des Gesamtbetrags, was auch im fairen Handel nicht üblich ist.

Punktuell unterstützen wir die Kooperativen bei besonderen Vorhaben oder in Problemlagen. Als zum Beispiel ab 2013 der Kaffeerost auftrat – eine Pilzerkrankung, die in Chiapas weite Teile der Kaffeepflanzen und der Ernte zerstörte – starteten wir eine Spendenkampagne.

Im solidarischen Handel hat der direkte Kontakt zu den Produzent*innen und der Bewegung eine besondere Bedeutung. Wie war die Begegnung und was sind die Eindrücke?

Ständiger Kontakt und Austausch sind zentral für unsere Beziehung zu den Kaffeekooperativen. Wir versuchen möglichst hierarchiefrei und auf Augenhöhe mit den Mitgliedern der Kooperativen in Kontakt zu treten, um nicht die neokolonialen und kapitalistischen Handelsstrukturen zu reproduzieren. Hierzu ist es wichtig, ein Verständnis von ihren Lebensumständen und Lebensweisen zu haben und sich die eigene Position als Bewohner*innen von Ländern mit massiven Privilegien und kolonialer Vergangenheit vor Augen zu führen. Jedes Jahr reisen wir nach Chiapas und in den Cauca, um die Beziehung zu stärken und den direkten Dialog zu suchen. Dies ist insbesondere wichtig, um über aktuelle Herausforderungen zu sprechen oder über die politische und soziale Situation in den Regionen. In der Regel findet ein Besuch bei den Kaffeebäuer*innen in ihren Gemeinden statt.

Dadurch sollen sie die Menschen kennenlernen, die ihren Kaffee kaufen. Früher wurde der Kaffee von den Kaffeebäuer*innen direkt an die coyotes, an kapitalistische Zwischenhändler*innen verkauft und es gab kein Bild von den Wegen, die der Kaffee bis zu den Konsument*innen nimmt.

Die Begegnungen sind durch Wertschätzung und Solidarität geprägt. Es ist immer wieder sehr beeindruckend, zu sehen, was an Strukturen aufgebaut wurde und wird – und das vor dem Hintergrund einer sehr schwierigen Gemengelage von staatlichen Aufstandsbekämpfungsstrategien, Präsenz von Paramilitärs, Rassismus etc.. Die Besuche sind auf dieser Ebene sehr ermächtigend. Sie bringen einen auch zum Nachdenken. Immer wieder poppt die Frage, oder besser der Wunsch auf, in unserer doch sehr durch Vereinzelung geprägten Gesellschaft ähnlich kollektive Strukturen in so vielen Bereichen des Lebens zu verwirklichen.

Welche Parallelen und Unterschiede gibt es zwischen den beiden Bewegungen?

Ein zentraler Unterschied der beiden Bewegungen ist der Umgang mit staatlichen Organen. Die Zapatist*innen lehnen jegliche Einflussnahme oder Verhandlung mit der mexikanischen oder chiapanekischen Regierung ab und nehmen keinerlei Gelder von staatlicher Seite an. Die indigene Bewegung im Cauca – und der CRIC als ihre Organisation – sieht den Staat in der Verantwortung: Er sollte handeln, um die Situation der indigenen Bevölkerung im Cauca zu verbessern, sei es durch Rückgabe von Land, was den Indigenen rechtlich zugesprochen wurde, oder durch finanzielle Mittel für den Aufbau eines eigenen Schul- und Gesundheitssystems. Die Bewegung führt Verhandlungen mit der kolumbianischen Regierung, schließt Vereinbarungen ab und wirkt bei der Verabschiedung von Gesetzen mit. Werden diese nicht eingehalten – was sehr häufig passiert – holt sie die Regierung mit Hilfe von massiven Mobilisierungen wieder an den Verhandlungstisch zurück.

Wie wird der Kaffee im Cauca produziert? Welche verschiedenen Kaffee-Produkte aus dem Cauca bietet ihr an?

Der Kaffee wird auf Kaffeefeldern angebaut, die zumeist von Familien bewirtschaftet werden. Die Kaffeefelder haben eine Durchschnittsgröße von etwa einem halben bis ein Hektar und stellen meist das einzige Familieneinkommen dar. Bislang wird nur ein kleiner Teil des Kaffees in kontrolliert biologischem Anbau erzeugt, das Gros in umweltschonendem Anbau mit geringem Einsatz von chemischen Düngemitteln. Die CENCOIC intensiviert den Bio-Anbau mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, wobei der Schutz der Natur und der Leben stiftende und sie ernährende Boden eine zentrale Rolle spielt.

Aroma Zapatista bietet folgende Sorten an: Filterkaffee „Café Minga“, Bio-Espresso mild „Kintín“. Seit einigen Monaten auch unverpackten, handwerklich gerösteten Filterkaffee und Espresso „Saak Helu“. Unser Kaffee kann über den Webshop, per E-Mail und Telefon, bei uns in Wilhelmsburg und in zahlreichen Verkaufsorten in der gesamten BRD gekauft werden.

Wie können die Bewegungen im Cauca und in Chiapas unterstützt werden?

In Chiapas gibt es ein sehr konkretes Angebot aktiv zu werden. Der Verein Carea e.V. bereitet in Seminaren darauf vor, in zapatistischen Gemeinden als Menschenrechtsbeobachter*in zu arbeiten und dadurch Übergriffe auf Gemeinden zu verhindern. In Kolumbien ist das RED de HERMANDAD aktiv.

Und natürlich direkt durch den Kauf unseres Kaffees und durch das Weitertragen der Informationen über die Kämpfe im Cauca und Chiapas an Freund*innen, Familie und Bekannte. Jede*r Einzelne*r kann sich informieren, aktiv werden und sich Formen der Sichtbarmachung, des Protestes überlegen – Do-it-yourself! Es gibt zahlreiche, sehr informative Webseiten über die zapatistische Bewegung und auch einige, die regelmäßig über Kolumbien berichten, Soli-Gruppen, denen mensch sich anschließen kann.

Was will Aroma Zapatista in Zukunft noch tun, gibt es weitere Projekte, neue Formen der Solidarität?

Das neueste Projekt von Aroma Zapatista ist der Import und Verkauf von Rohkaffee aus dem Cauca, der ausschließlich von Frauen des CRIC angebaut wird, ein rein feministischer Röstkaffee. Die Diskriminierungen, die Frauen im Cauca erleben, sind zahlreich. Bislang verfügt das Gremium der Frauen im CRIC (Programa Mujer) über wenig Ressourcen und bislang keinen ausreichenden Rückhalt innerhalb des CRIC. Von der CENCOIC und dem CRIC gibt es nunmehr das Bestreben, zum einen die Frauen auf ökonomischer Ebene zu stärken, zum anderen auch innerhalb des CRIC ihrer Arbeit und ihren Kämpfen mehr Gewicht zu geben.


Dieses Interview ist Teil der Broschüre „Land, Kultur und Autonomie – Die indigene Bewegung des Cauca (Kolumbien)“, die im Januar 2019 von zwischenzeit e.V. veröffentlicht wurde.


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