Manuel Quintín Lame Chantre (1880-1967)

Manuel Quintin Lame Chantre (Mitte), 1915, zusammen mit Mitkämpfern und Polizisten, die ihn verhaftet haben.

von Martin Mäusezahl /Januar 2019

„Einer der zentralen Gründe, die die Weißen dafür haben, uns in der wirtschaftlichen Unterdrückung zu halten, die wir erleiden, ist – noch vor dem Wunsch, sich unsere Arbeitskraft anzueignen und von dem Schweiß auf unserer Stirn zu leben – die Angst, dass wir eines Tages stark werden, fähig dazu, mit aller Macht unsere Rechte einzufordern und uns das Land zurück zu nehmen, das uns gewaltsam geraubt wurde.“ – Manuel Quintín Lame (Juni 1916)

Manuel Quintín Lame Chantre war indigener Aktivist und Rechtsexperte aus dem Südwesten Kolumbiens. Dort führte er den Aufbruch indigenen Widerstands an, der bis heute prägend für die indigene Bewegung Kolumbiens ist.

Aufgewachsen als Kind indigener Nasa und armer Landpächter*innen im Verwaltungsbezirk Cauca, erfuhr er seit seiner Kindheit Rassismus, Ausbeutung und staatliche Repression. Erst mit etwa 20 Jahren lernte er Lesen und Schreiben und bildete sich anschließend eigenständig zum angesehenen Rechtsexperten aus. Selbst sein Leben lang Kleinbauer, kämpfte er seither für die Land- und Selbstverwaltungsrechte der Indigenen sowie gegen den Rassismus und die Ausbeutung durch die Weißen Eliten.

Die von ihm angeführte Bewegung bediente sich einerseits institutioneller politischer Mittel, wie Klagen vor Gerichten und Beschwerden bei staatlichen Institutionen. Andererseits schuf sie autonome Selbstverwaltungsstrukturen und kämpfte mittels Massenmobilisierung, Besetzungen und Aufständen für ihre Ziele.

So mobilisierten Quintín Lame und seine Anhänger*innen ganze Landkreise zur Verweigerung der terraje, des Frondienstes, den die indigenen Kleinbäuer*innen bei den Großgrundbesitzer*innen leisten mussten. Ebenso kämpften sie für die Wiederherstellung und rechtliche Stärkung der resguardos, der indigenen Selbstverwaltungsgebiete aus der Kolonialzeit. Damit wendeten sie die koloniale Gesetzgebung emanzipatorisch zugunsten der Land- und Autonomierechte der Indigenen.

Lame baute in den 1920er Jahren die Selbstverwaltungsstrukturen des resguardo Ortega y Chaparral im Verwaltungsbezirk Tolima aus. Aufgrund der hartnäckigen Kämpfe der Indigenen erkannte die Regierung das resguardo 1938 schließlich rechtlich an. Doch Lokalregierung und Landbesitzer*innen respektierten dies nicht. Es kam zu brutalen Angriffen auf die indigene Selbstverwaltung; außerdem wurde versucht, Grundsteuer von den Bewohner*innen zu erheben.

Immer wieder reagierten Landbesitzer und politische Eliten mit massiver Repression auf die Mobilisierungen der indigenen Bewegung um Quintín Lame. Er selbst wurde über 100 Mal inhaftiert. Bewaffnete Banden der Landbesitzer*innen griffen die Bewegung an, vertrieben die Menschen von ihrem Land und ermordeten Aktivist*innen. Diese Gewalt nahm gegen Mitte der 1940er Jahre derart zu, dass die Bewegung kaum noch handlungsfähig war.

Doch Lame setzte sich bis zu seinem Tod für die indigenen Rechte und die politischen Gefangenen der Bewegung ein. Außerdem verfasste er zwei Bücher, in denen er sein Denken und seine politischen Anliegen für die Nachwelt festhielt.

Bis heute beziehen sich indigene Bewegungen in Kolumbien auf Quintín Lame. So benannte sich etwa die erste indigene Guerilla Lateinamerikas, die von 1984 bis 1991 im kolumbianischen Konflikt aktive Movimiento Armado Quintín Lame (Bewaffnete Bewegung Quintín Lame), nach seinem Namen.


Martin Mäusezahl – Mitglied des Kaffee-Kollektivs Aroma Zapatista, zuvor Mitarbeiter im Info-Büro Nicaragua


Dieser Artikel ist Teil der Broschüre „Land, Kultur und Autonomie – Die indigene Bewegung des Cauca (Kolumbien)“, die im Januar 2019 von zwischenzeit e.V. veröffentlicht wurde.


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