Cambio de Mano – gegenseitige Hilfe

Foto: Jochen Schüller

von Jochen Schüller / Januar 2019

Um zu den Kaffeebäuerinnen und -bauern zu gelangen, welche die CENCOIC mit Kaffee beliefern, muss ich eine mehrstündige Autofahrt von Popayán in den Norden des Cauca unternehmen. CENCOIC-Mitarbeiterin Magalí Hoyos und Agrartechniker Víctor Sabogal begleiten mich in den Norden des Cauca. Die Fahrt von Popayán, der Hauptstadt des Departements, über die Panamericana ist kurz vor der Stadt Santander de Quilichao zu Ende. Über Nebenstraßen geht es weiter nach Osten in die Berge der mittleren Anden-Kordillere. Irgendwann wäre es ohne Allradantrieb nicht mehr weiter gegangen. Der Regen hat die unbefestigte Straße in eine Schlammpiste verwandelt. Das Strukturproblem der Region wird einem hier plastisch vor Augen geführt. Die Wege sind weit, die Ortschaften schwer zugänglich. Wie sollen die Kleinbauern und -bäuerinnen von dort oben ihre Waren zu den Märkten ins Tal bringen?

In dem Weiler Guaítala im Resguardo Munchique de los Tigres werden wir von knapp einem Dutzend Mitglieder der dortigen Kaffeegenossenschaft empfangen. „Wir sind insgesamt 14 Mitglieder, die sich hier zusammengetan haben”, erklärt Maria Eugenia Pilcue. Zusammen steigen wir nach einer kurzen Begrüßung gleich den Hügel hinauf. Die Hanglagen im Norden des Cauca sind ideal für die Produktion des hochwertigen Arabica. Es geht stramm bergauf, schon bald erreichen wir die erste Parzelle. Zwischen Büschen und Bäumen wachsen die Kaffeepflanzen. Der Kaffee braucht Schatten und daher wächst und sprießt hier vieles in Mischkultur. Sogleich beginnen die Mitglieder der Kooperative mit der Ernte des Kaffees. Behände pflückt Maria Eugenia die roten Bohnen vom Kaffeestrauch, der sie kaum überragt, und lässt sie gekonnt in den Blecheimer fallen, den sie sich vor den Bauch gebunden hat.

„Nein, Monokultur haben wir hier nicht!”, erklärt María Eugenia. Bananen, Zuckerrohr und verschiedene Obstbäume wachsen hier ebenfalls. Zitronen und Orangen und etliche Guama-Bäume, die viel Schatten spenden. Deren dicke lange braune Schoten enthalten ein Dutzend Kerne, die mit überaus saftigem Fruchtfleisch umgeben sind. Ein erfrischender Snack bei der harten Arbeit an den steilen Hängen. „Wenn die Kaffeepflanzen noch klein sind, pflanzen wir dazwischen auch Mais und Bohnen“, erklärt María.

„Wir bauen schon immer Kaffee an. Aber seit 2006 haben wir uns der CENCOIC angeschlossen und arbeiten hier gemeinsam”. Die Vorteile der Zusammenarbeit mit CENCOIC sind offenkundig: „Das läuft für uns ziemlich gut. Am Ende des Jahres zahlt die CENCOIC einen Bonus aus. Damit können wir dann kaufen, was uns fehlt, zum Beispiel das Zink für das Dach vom Haus”.

Auch vom solidarischen Handel mit Europa hat María Eugenia gehört: „Früher hat das nicht viel gebracht, jetzt kommt schon mehr bei uns an!”

Aber für die Kaffeebäuerin und ihre Kolleg*innen bringt die Zusammenarbeit mit der CENCOIC noch andere Vorteile. Zusammen mit der CENCOIC haben sie einen Lagerraum gebaut, wo der geerntete Kaffee gemeinschaftlich gelagert wird und von der CENCOIC auch abgeholt wird. Das erspart den Weg ins Tal, den früher alle individuell organisieren und finanzieren mussten. Beim Verkauf in Santander de Quilichao waren sie dann den Coyotes, den üblichen Kaffeehändlern, und den schwankenden Weltmarktpreisen ausgeliefert.

Die CENCOIC hingegen ist Teil der eigenen indigenen Bewegung und ein fairer Partner für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den indigenen Gemeinschaften. Die Förderung der Kaffeevermarktung zum Wohle der indigenen Kleinbauernfamilien ist eine zentrale Aufgabe. Das gelingt insbesondere über den solidarischen Handel. Doch die CENCOIC begleitet und berät die Kleinbäuerinnen der indigenen Gemeinschaften auch tatkräftig. Agrartechniker Víctor ist als direkter Kontakt und Berater der CENCOIC regelmäßig vor Ort.

Vor der Abreise nach Popayán zeigen mir die Genossenschaftsmitglieder noch stolz das Gebäude, das sie mit Unterstützung der CENCOIC gebaut haben: Im Souterrain werden die getrockneten Kaffeebohnen bis zum Abtransport gelagert, oben ist die Tienda Comunitaria,der gemeinschaftliche Laden, in dem überwiegend Lebensmittel und Produkte für den Alltag verkauft werden.

„Wir kaufen Produkte außerhalb ein und verkaufen sie dann hier wieder. Von den Gewinnen profitieren die Mitglieder, wir aus unserem Dorf, aber auch der lokale Rat von Munchique. Auch die Gemeinschaft hat etwas davon: Du musst jetzt nicht mehr den langen Weg in die Stadt machen“, erklärt ein Mitglied der Genossenschaft. „Wir haben mit dem Laden außerdem einen Arbeitsplatz geschaffen!“ Eine Frau führt den Laden mit seinen bunten Auslagen: Drogerie-Waren, Lebensmittel, Getränke – und Süßigkeiten!

Wir scherzen und erzählen noch eine Weile, schließlich ist der Laden auch Treffpunkt und Klönstube. Dann ruft uns Víctor zum Aufbruch auf den langen Weg zurück nach Popayán.


Jochen Schüller – Journalist, Projektmanager und Aktivist – arbeitet seit 2002 zu Kolumbien.


Dieser Artikel ist Teil der Broschüre „Land, Kultur und Autonomie – Die indigene Bewegung des Cauca (Kolumbien)“, die im Januar 2019 von zwischenzeit e.V. veröffentlicht wurde.


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