Nasa Estereo

Foto: Jochen Schüller

Das Radio ist für die Indigenen im Cauca das wohl wichtigste Kommunikationsmittel. Es gibt mehrere Radios, die die Gemeinschaften selbst verwalten und betreiben. Jochen Schüller besuchte mehrere Radios und sprach bei „Nasa Estereo“ in Toribio mit Trino, Santiago, Manuel und Claribel.

Januar 2019

Claribel: Das Radio gründeten wir bereits 1996, weil die Gemeinschaft und die traditionellen Autoritäten die dringende Notwendigkeit für ein Kommunikationsmittel sahen. Das Radio soll unsere Initiativen stärken, die hier im Plan de Vida, dem Proyecto Nasa entwickelt werden. Vorher war es schwierig, die Menschen zu den Versammlungen und Veranstaltungen zur Teilnahme zu bewegen.
Von uns hat niemand eine formale Ausbildung als Journalist*in. Wir haben das in der Praxis gelernt aus Interesse und Spaß!

Das Radioprogramm wird sehr gut von der Gemeinschaft angenommen, die Leute hören uns. Es ist das wichtigste Kommunikationsmittel. Wir erreichen die Menschen in drei Resguardos: Toribio, Tacueyó und San Francisco. Diese Cabildos (Räte) finanzieren das Radio auch.

Trino: Wir sollten es eigentlich alle sprechen, aber hier im Radio spricht nur Santiago unsere eigene Sprache, Nasa Yuwe. Aber perspektivisch wollen wir unsere eigene Sprache stärken.

Das Programm beginnt morgens um fünf und endet um acht Uhr abends. Morgens von 5 bis 8 Uhr läuft das Programm „Buenos Dias Comunidad“ mit Musik aus der Region, Nachrichten und Botschaften. Von 8 bis 12 Uhr läuft „Wir begleiten die Gemeinschaft“ mit direkter Live-Beteiligung, eigener Musik und der Musik andere Künstler*innen. Später läuft „El espacio especial para los mayores“, ein Sendeplatz für die Alten und Weisen, wo sie ihre Geschichten erzählen und Erfahrungen vermitteln. Besonders beliebt ist „Saludos y complacencias“, da rufen viele von unterwegs aus an und grüßen jemanden. „Toribio sin fronteras“ – „Toribio ohne Grenzen“ – spricht über Behinderte und wie wir mit diesen besonderen Menschen umgehen sollen. Die Sendung „Red de Protección de la Madre Tierra“ ist ein Programm über Umwelt.

Manuel: Wir begleiten die Aktivitäten der Gemeinschaft und berichten über die Versammlungen und die Arbeit der Cabildos oder eine Minga.

Mit der Sendung „Finca“ (Hof) wollen wir das eigene Tul – den Familien-Garten – bewerben und stärken, die eigenen Produkte und die Ernährungs-Autonomie. Außerdem thematisieren wir die aktuellen Probleme, die die Jugendlichen haben, die Drogen, oder auch den Friedensprozess.

Das Radio dient auch dazu, um Versammlungen und andere Aktivitäten anzukündigen.

Als der bewaffnete Konflikt (zwischen FARC und Regierung, Anm. d. Red.) noch sehr massiv war, haben wir weiter gesendet, obwohl hier die Kugeln durch die Luft flogen. Wir hatten eine wichtige Funktion und die Gemeinschaft hat das auch wertgeschätzt. Wir haben informiert und zu bestimmtem Verhalten oder zu Aktionen aufgerufen.

Sie haben auch weiter gesendet, als in den Straßen geschossen wurde …

Als die FARC den mit Sprengstoff gefüllten Lastwagen (vor der Polizeistation – Anm. d. Red.) zündete, war Markttag und wir waren gerade auf Sendung. Als diese Autobombe explodierte, wurde das Haus fast vollständig zerstört. Alle Fenster zerbarsten, ein Kollege wurde durch Splitter im Gesicht verletzt. Dach und Wände wurden massiv geschädigt, das Haus war praktisch zerstört, ebenso ein Teil unseres Equipments und des Archivs. Wir retteten ein paar Sachen, waren dann aber einen Monat lang nicht im Äther.

Welche Rolle spielt die eigene Sprache – das Nasa Yuwe – hier im Radio?

Santiago: Bis vor kurzer Zeit gab es nur punktuell Sendungen auf Nasa Yuwe. Doch die Gemeinschaft beklagte das und jetzt haben wir mehrere kurze Sendungen nur auf Nasa Yuwe. Damit wollen wir diejenigen ermutigen, die Nasa Yuwe sprechen, die Sprache auch weiterzugeben. Die Eltern sollen sie in der Familie an die Kinder vermitteln. In der Schule ist es oft schwieriger, weil viele Lehrer*innen nur einsprachig sind und kein Nasa Yuwe sprechen. Unser Fokus liegt daher auf den Familien. Und es ist toll, dass wir hier im Radio Platz dafür haben.

Was ist mit internationalen Nachrichten? Greifen Sie die von anderen Medien auf?

Claribel: Ja, die bekommen wir aus dem Netzwerk AMSIC, das noch weitere Quellen hat. Oder wir bekommen Nachrichten über Email, besuchen andere Internet-Seiten. Wir tauschen uns aber auch mit dem Radio-Kollektiv „Contagio Radio“ in Bogotá aus. Aber unsere Arbeit bezieht sich mehr auf das Lokale, Regionale oder Nationale.


Dieses Interview ist Teil der Broschüre „Land, Kultur und Autonomie – Die indigene Bewegung des Cauca (Kolumbien)“, die im Januar 2019 von zwischenzeit e.V. veröffentlicht wurde.


Mehr zu den Themen dieses Interviews: