Fluch des Reichtums

Zuckerrohr-Fabrik im Cauca – Foto: Jochen Schüller

von Jochen Schüller / Januar 2019

Das Land im Cauca ist nicht nur fruchtbar, sondern auch reich an Bodenschätzen. Daher drehen sich die meisten Konflikte in der Region um Land und Rohstoffe. Großgrundbesitz und Agro-Industrie haben sich die fruchtbaren Ebenen des Cauca-Tals angeeignet. Nationale und internationale Rohstoffkonzerne wollen Mineralien und Gold ausbeuten, aber auch Wasser und Wälder sind im Visier der Konzerne zur kommerziellen Trinkwasser- oder Energiegewinnung oder für die Papierproduktion. Auf der anderen Seite steht die lokale Bevölkerung: kleinbäuerliche, indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften.

Eine wesentliche Motivation der kolumbianischen Regierung für die Friedensgespräche mit der FARC war das Interesse, die rohstoffreichen und bis dahin von der Guerilla kontrollierten Landstriche für Investor*innen zu öffnen. Schon bei Amtsantritt im Jahr 2010 propagierte Präsident Juan Manuel Santos die Locomotora Minera-Energética, also den Bergbau- und Energie-Sektor als „Lokomotive“ für sein Wirtschaftsmodell.

Die Entwaffnung der FARC-Kämpfer*innen erschließt für Rohstoffkonzerne viele Regionen, auch im Cauca. Schon lange zuvor haben sie Bergbautitel und Lizenzen erworben. Auch illegalen Bergbau gibt es bereits seit einigen Jahren. So wehrten sich die Nasa-Indigenen immer wieder erfolgreich gegen Bergbauprojekte, wie etwa im Jahr 2012 gegen eine illegale Goldmine an dem für sie heiligen Berg Munchique. Das Cabildo (Rat der Gemeinschaft) mobilisierte 2000 Menschen, welche die rund 200 Arbeiter*innen vertrieben und die 18 Löcher der Mine mit Felsen zuschütteten.

Auch die großen Konzerne verletzen die Rechte der ansässigen Bevölkerung. Der multinationale Bergbaukonzern „AngloGold Ashanti“ besaß einen Bergbautitel über 1404 Hektar auf dem Land der afrokolumbianischen Gemeinschaft von La Toma. AngloGold hatte aber die obligatorische Befragung (Consulta Previa) der Gemeinschaft nicht durchgeführt, die daraufhin klagte und 2010 vor dem kolumbianischen Verfassungsgericht gewann. Der Bergbautitel wurde für ungültig erklärt. Ein leider eher seltener Sieg.

Zukünftig wird sich der Druck auf die ländlichen Gemeinschaften in Kolumbien erhöhen, die Konflikte um Bergbau und Umwelt werden zunehmen. Allein im vergangenen Jahr (2017) zählte die Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ 32 ermordete Umwelt-Aktivist*innen. Diese Morde seien aber auch ein Zeichen dafür, dass sich die Menschen seit Unterzeichnung des Friedensvertrags häufiger wehren würden, erklärt die Menschenrechtsanwältin Yessika Hoyos bei einer Rundreise durch Deutschland im November 2018. Das trifft auch für den Cauca zu.

Nahrung für Menschen nicht für Autos

Das Tal des Cauca-Flusses in mehreren Bundesstaaten hat eine Besitzerin: die Zucker- und Ethanol-Industrie. Die gesamte Anbaufläche von Zuckerrohr beträgt 234.009 Hektar in 50 Landkreisen der Bundesstaaten Cauca, Valle del Cauca, Risaralda, Caldas und Quindio. In sechs der 14 Ingenios, den Zuckerraffinerien, wird auch Ethanol zur Beimischung in Benzin produziert. Diese Agrarkraftstoff-Produktion wurde von der Regierung angeschoben: Sie führte 2005 eine Beimischungspflicht von Ethanol zum Benzin ein, die im Jahr 2018 auf 10 Prozent Ethanol (E10) angehoben wurde. Im Jahr 2016 wurden 434 Mio. Liter Ethanol aus Zuckerrohr produziert, 2017 waren es 367 Mio. Liter.

Die riesigen Monokulturen werden unter hohem Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden bewirtschaftet, was eine ökologische Katastrophe bedeutet. Zudem werden ein sehr großer Teil der oberirdischen Wasserressourcen sowie das Grundwasser verbraucht. Wo in der Vergangenheit tropischer Trockenwald stand oder Nahrungsmittel produziert wurden, steht heute nur noch Zuckerrohr.

Auch im Norden des Cauca – dem traditionellen Land der Nasa – ist der allergrößte Teil der Ebene des Cauca-Flusses mit Zuckerrohrplantagen übersät. Die Resguardos der Indigenen hingegen liegen in den Hang- und Berglagen des Gebietes, oft sind sie zugleich Naturschutzgebiete. Viele Bäche und mehrere große Flüsse entspringen hier. Der behutsame Umgang der Nasa mit der Natur verbietet ihnen, auf diesen ökologisch sensiblen Flächen Landwirtschaft zu betreiben. Den Gemeinschaften fehlt es aber an Ackerfläche für die Selbstversorgung.

Die Nasa lehnen den Anbau von Zuckerrohr, insbesondere für die Produktion von Agrartreibstoff als Verschwendung des fruchtbaren Ackerbodens ab. Sie wollen Nahrungsmittel für Menschen statt Sprit für Autos anbauen.

Dass sie sich nun mit den Landbesetzungen gerade mit einem der reichsten und einflussreichsten Männer Kolumbiens anlegen, dem Multimillionär Arila Lülle, verdeutlicht ihre Unerschrockenheit und ihr klares Festhalten an ihren Visionen.



Jochen Schüller – Journalist, Projektmanager und Aktivist – arbeitet seit 2002 zu Kolumbien.


Dieser Artikel ist Teil der Broschüre „Land, Kultur und Autonomie – Die indigene Bewegung des Cauca (Kolumbien)“, die im Januar 2019 von zwischenzeit e.V. veröffentlicht wurde.


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